deplatforming
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Beim Serious Game „deplatforming“ schlüpften die Spieler*innen in die Rolle einer Aktivistengruppe, die gegen eine sich schnell im Netz verbreitende fiktive Hasskampagne vorgeht. Sie bedienen sich dabei im Werkzeugkasten der Aktivisten, um die Kampagne zu stoppen und ihre Akteure aus den großen Netzwerken zu verbannen. Schafft Ihr es dieser Kampagne ein Ende setzen?
Das Spiel wurde im Rahmen des EU-Projekts „Play Your Role“ entwickelt. Es gibt umfangreiches pädagogisches Begleitmaterial inklusive eines Tutorial Videos. Die Materialien liegen auf Deutsch (siehe unten) und in anderen Sprachen vor. Deplatforming eignet sich um das Thema online Hate Speech in pädagogischen Kontexten zu behandeln. Ein bekanntes Beispiel für deplatforming war die Sperrung der Social Media Kanäle von US Präsident Trump im Januar 2021.
Einführung
Die Spieler*innen:
In Deplaforming spielt ihr eine Aktivistengruppe, die versucht, eine digitale Hasskampagne aus den Tiefen von „PatriotChan“, einer fiktiven, lose organisierten rassistischen Imageboard-Community, zu stoppen.
Euer Ziel: Ziel ist es, die Hasskampagne in Schach zu halten und gleichzeitig die großen Plattformen davon zu überzeugen, diese Hassrede von ihren Plattformen zu verbannen. Zu diesem Zweck habt ihr Zugang zum Werkzeugkasten der Aktivisten:
Eure Waffen: Gegenrede, Berichterstattung und Demonetarisierung werden durch Anklicken der infizierten Netzwerke auf der linken Seite des Bildschirms aktiviert.
1 Klick: startet die Gegenrede und reduziert den Hass auf dem Netzwerk;
2 Klicks: führen zu einem Verbot und stoppt zusätzlich den ausgehenden Hass;
3 Klicks: demonetarisieren den Kanal und setzt den Hass in diesem Netzwerk zurück.
Am Anfang solltest du dich vernetzen, so bekommst du mehr Aktivisten, die dir mehr Aktionen im Spiel ermöglichen. Dazu klickst du auf die Schaltfläche auf der linken Seite des Bildschirms. Mit der Zeit werden weitere Fähigkeiten freigeschaltet. Durch geschicktes Monitoring wird eure Gegenrede und Berichterstattung effizienter. Bei einem Deplatforming wird das Netzwerk dauerhaft vor verbreitetem Hass geschützt.
Eure Ergebnisse: Um zu gewinnen, müssent Ihr sicherstellen, dass das Internet nicht von Hass überflutet wird. Ein Zähler zeigt Ihnen, wie viel Prozent des Netzes bereits radikalisiert sind. Wenn der Zähler 100 % erreicht, ist es für deinen Aktivismus vorbei. Du gewinnst, indem du die Hasskampagne von den 5 größten Plattformen im Spiel deplatformst: MehTube, Instagroom, Robbot, Chitter, Miscord.
Jedes Netzwerk funktioniert anders. Einige verbreiten Hass, sobald ein Kanal eingerichtet ist, andere brauchen länger, um sich zu radikalisieren. Sie können nicht alle Accounts melden oder demonetarisieren. Um einen Kanal zu deplatformen, müsset ihr ein genaues Monitoring einrichten, den Kanal erfolgreich auf den Plattformen melden oder demonetariesieren.
Pro Tip: Die Hasskampagne schläft nicht. Sie wird sich der Geschwindigkeit eurer Klicks an. Also: cool bleiben und den nächsten gut Schritt überlegen.
Los geht’s
Zum Download als App geht es hier entlang:Das Spiel gibt es für Android oder iOS Geräte
Tutorial (Englisch mit deutschen Untertitel)
Das Team
Das Spiel wurde entworfen und entwickelt von gameoverhate.eu . Einer Initiative für inklusive Caming Communities.
Pädagogisches Konzept:
In Diskussionsformaten sollen die komplexen Ansätze von Hatespeech verstanden und mit den persönlichen Erfahrungen der Teilnehmenden verbunden werden. Das Spiel und begleitete Diskussion und kann helfen einen Blick hinter die komplexen Mechanismen von großen Medienplattformen zu werfen.
Überblick:
Zeitrahmen: 90 Minuten
Zielgruppe: 15+, Interesse an sozialen Medien
Lernziele:
- Kennenlernen des Ökosystems Internet
- Verständnis und Reflexion von Dynamiken von Hasskampagnen
- Vertrautwerden mit den Werkzeugen und Mechanismen um auf problematische Inhalte zu reagieren
- Diskussion von Plattform-übergreifenden Ansätzen zum Umgang mit Online Kampagnen
Technische Voraussetzungen:
- BYOD oder Laptop/Tablet
- Frei zugängliche App “Deplatforming”
Methode zum pädagogischen Einsatz mit dem Spiel:
Schritt 1/4 (25 Minuten)
Brainstorming “Anatomie eines Shitstorms”
Eingangsfrage: “Was gehört zu einem Shitstorm?”
- Sammeln von Antworten der Gruppe, wenn nötig mit Unterstützung leitender Fragen.
- Das Brainstorming sollte mindestens folgende Themen umfassen:
- Auslöser (auslösende Momente) einer Hasskampagne
- Eine In- und Out-Group (wer gehört dazu und wer nicht, Informationsmonopol)
- Persönliche Angriffe (sowohl On- als auch Offline)
- (Ab-)wertende Kommentare
- Das Brainstorming wird vermutlich problematische Narrative aus Hasskampagnen hervorbringen. Die Gruppe wird in den meisten Fällen verzerrte und aus dem Kontext gerissene Informationen wiedergeben, welche die zentralen Figuren von Hasskampagnen sehr unterschiedlich darstellen, je nach dem Kontext in welchem sie zuerst mit den Informationen in Berührung kamen. Dabei sind sie oftmals nicht den realweltlichen Folgen bewusst, welche diese Kampagnen auf ihre Opfer ausüben. Es kann eine wichtige Lernerfahrung sein ein kontroverses Beispiel herauszugreifen und dieses von verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Schritt 2/4 (25min)
Spieletest “Deplatforming”, während dessen Sammlung von Kommentaren der Spielenden:
- Die Teilnehmenden können die wichtigsten Informationen zum Verständnis des Spiels im Tutorial finden.
- Irritationen während des Spielens sollten gesammelt werden (Netzwerkverhalten, was Klicks tun, wie die Gameplay Elemente aufeinander aufbauen, wie man gewinnt und was einzelne Begriffe bedeuten).
- Einen erfolgreicher Durchlauf des Spiels hat diesen Ablauf:
- Klicken von “Netzwerken” bis 7 Aktivist*innen erreicht werden.
- Monitoring muss auf Stufe 4 gesteigert werden.
- Die 5 Tracker neben den Plattformen müssen durch 3-faches Klicken gefüllt werden. Wenn die Tracker gefüllt sind kann “Deplatforming” gedrückt werden.
- Stellen sie sicher, dass die Radikalisierung (in der Bildmitte) nicht 100% erreicht, die funktioniert am besten über einzelne Klicks auf radikalisierten Netzwerke.
- Wenn “Deplatforming” für alle 5 Plattformen durchgeführt wurde und die Radikalisierung unter 100% bleibt ist das Spiel gewonnen.
Schritt 3/4 (15min)
Debriefing des Spiels, Glossar und Realitätsabgleich
- Sammeln von Definitionen der Fachbegriffe aus der Gruppe (unterstützt durch das Glossar im Anhang).
- Austausch in der Gruppe, zu Begriffen, Praktiken und Hintergründen anhand von Beispielen und Definition des Glossars.
Schritt 4/4 (25min )
Eigene Antworten finden
- Arbeit in Kleingruppen. Jede Kleingruppe erarbeitet eigene Ideen für einen idealen Umgang großer Plattformen mit neuen Hasskampagnen und Hassinhalten.
- Erstellen eines Schaubilds mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Gruppenpositionen.
- Raum für die Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Ideen geben.
Weiterführende Materialien
- Report zum Thema „Deplatforming“ des IDZ Jena.
- Beispiel eines rechten Influencer Netzwerks
- Beispiel rechter, deutscher Netzwerke über verschiedenen Plattformen hinweg:
- „Warum Trumps Accountsperrungen richtig und hochproblematisch sind„. Artikel von Markus Reuter in Netzpolitik.org
Begriffserklärung /Glossar
Hate Speech/Hassrede
Hate Speech deckt alle Ausdrucksformen ab, die marginalisierte Personen oder Gruppen angreifen oder zur Gewalt gegen diese aufrufen, basierend auf deren Angehörigkeit oder zugeschriebenen Angehörigkeit zu einer diskriminierten Gruppe.
Beispiel: Holokaustleugung, Unterstützung von Terrorismus oder terroristischen Organisationen, Morddrohungen aufgrund von Geschlecht, Herkunft…
Gegenrede
Gegenrede bedeutet Hassrede entgegenzutreten wo diese auftritt. Gegenrede präsentiert gegenläufige Perspektiven, verwickelt Angreifende ins Gespräch und unterstützt die Opfer von Hassrede.
Beispiel: Wenn Diskussionen eskalieren versuchen Trolle oft die Eskalation zu verstärken. Gegenrede könnte hier als Kombination als Ausdrucks der Unterstützung für das Ziel der Hassrede und einer Konfrontation und Offenlegung der Trolltaktiken zum Einsatz kommen.
Report
Reporten/Melden ist eine Funktion auf den meisten Sozialen Medien Plattformen. Sie erlaubt problematische Inhalte zu markieren und durch die offiziellen Kanäle der Plattformen kontrollieren zu lassen.
Beispiel: Auf Youtube findet sich die Meldefunktion unter Videos oder neben Kommentaren indem man auf die 3 Punkte klickt. Reports können dann vom Kanal oder Youtube selbst moderiert werden, abhängig von Meldung und Umfang der Moderation des Kanals.
Bann/Sperre
Sperren folgen im Regelfall Mehrfachmeldungen und sperren den Accountzugang für den*die jeweiligen Nutzer*in, welche*r gegen die Nutzer*innenrichtlinien verstoßen hat. Dies kann große Probleme für Personen nach sich führen, die ihre Kanäle monetarisieren.
Beispiel: Der Kanal “info wars” von Alex Jones wurde 2018 auf Youtube gesperrt, weil er zu Gewalt aufrief und Falschinformationen verbreitet hat. Dies verstieß gegen die Nutzer*innenrichtlinien zum Verbot von Belästigung und Hassrede.
Demonetisierung/ Demonetarisierung
Demonetisierte Kanäle werden von der finanziellen Unterstützung der Plattformen, die sie hosten, ausgeschlossen. Es können auch einzelne Inhalte demonetisiert werden. Dies kann je nach Plattform bedeuten, dass Werbeeinnahmen nicht geteilt werden, Abonnenten nicht mehr vergütet werden oder die Spendenfunktion suspendiert wird.
Beispiel: Youtube demonetisierte 2018 vorübergehend alle Inhalte von Influencer Logan Paul, nachdem dieser in einem Stream ein Selbstmordopfer filmte.
Monitoring
Monitoring bedeutet das Sammeln und Archivieren von Informationen bzw. Gemeinschaften zu einem bestimmten Themenbezug. Es wird in einer Vielzahl an technischen Anwendungen genutzt, wird aber zunehmend wichtig in der Deradikalisierungsarbeit.
Beispiel: Mit der zunehmenden Zahl von Desinformationen gewinnen Faktenchecker(Debunking)-Websites immer mehr an Bedeutung. Sie fügen isolierten Aussagen und Behauptungen einen Kontext hinzu. Eingebettet in den Kontext offenbaren die analysierten Aussagen oft ganz andere Absichten und Narrative als ursprünglich behauptet. Ohne Monitoring wäre diese Kontextualisierung nicht möglich.
Deplatforming Deplatforming ist der Prozess des Entfernens unzulässiger Kanäle von Medienplattformen. Es ist Teil eines strategischen Ansatzes, um Hasskampagnen und -narrativen nachhaltig Herr zu werden. Deplatforming funktioniert in der Regel nicht über eine einzelne Kanalsperre, sondern über das Blockieren von vernetzten Clustern, welche die problematischen Narrative verbreiten.
Beispiel: Nach dem Angriff auf das Washingtoner Capitol durch Anhänger*innen der Qanon Verschwörungstheorie Angang 2021 löschten die großen Plattformen fast zeitgleich die aktivsten Informationskanäle der Anhänger*innen. Zudem wurde das Suchen der Phrase “Qanon” erschwert und konnte nicht mehr markiert werden. Die machte es deutlich schwerer neue Unterstützer*innen zu rekrutieren und die Inhalte zu vermarkten, trieb die Community jedoch auf die sogenannten “dark socials” (z.B. Telegram).