Diskriminierung Erfahren mit Minetest – Workshopbeschreibung

“Diskriminierungserfahrungen in Minetest” ist ein spielbasierter, digital gestützter Workshop für Jugendgruppen zur Identifikation und Prävention von Diskriminierung und Hate Speech bzw. zum adäquaten Umgang damit. Zentraler Bestandteil ist das Computerspiel Minetest und dessen 3D-Umgebung.

Um einen Wissenstransfer vom Spiel ins Alltagsleben zu unterstützen, kommen außerdem klassische pädagogische Methoden, wie angeleitete Gruppendiskussionen und weitere Reflexionsmethoden zum Einsatz.

Es gibt zwei Möglichkeiten die Minetest Welt anzuschauen.

  • auf dem Minetest Bildungsserver.
    Dort zum den Point Of Interest: „Play Your Role“.
  • Alternativ können sie sich die Welt hier auf Deutsch und Englisch herunterladen.

Informationen zum Workshop finden sie unten. Alle 15 Play Your Role Workshops in allen Sprachversionen finden sie in den Play Your Role Toolkits.

Überblick

Das große Über-Thema des Workshops sind Diskriminierungserfahrungen und -strukturen. Dafür nutzen wir die Möglichkeiten von Minetest um sich im Raum zu bewegen und mit der Umgebung zu interagieren. Zentraler Bestandteil für die Teilnehmer ist das Erkennen, simuliertes Erfahren und Reflektieren von Diskriminierung verschiedener Art. Diskriminierung ist alltäglicher Bestandteil vieler Menschen in unserer Gesellschaft. Das bedeutet viele Jugendlichen müssen sich Früh mit dem Thema auseinandersetzen und zwar auch in der digitalen Lebenswelt.

Die häufige Folge von Diskriminierung im virtuellen Raum ist Online-HateSpeech, welche im Minetest-Workshop thematisiert wird. Ziele sind Hate Speech zu identifizieren und Strategien für den Umgang mit Hate Speech zu entwickeln. Der Workshop kann optional auch dezentral rein virtuell durchgeführt werden.

Minetest ist eine kostenlose Open Source Variante des außerordentlich populären Computerspiels Minecraft und ähnelt diesem sehr. Mit zusätzlichem Aufwand kann der Workshop auch an Minecraft adaptiert werden.

Zielgruppe

  • Jugendliche von 12 -18 Jahren
  • Jugendgruppen 8-14 Teilnehmer*innen

Kontext

“Diskriminierung Erfahren in Minetest” eignet sich sowohl in der Arbeit mit Schulklassen als auch als Workshop-Konzept in der freien Kinder- und Jugendarbeit. In heterogenen Gruppen bieten es sich an, sich mit der Thematik Diskriminierung auseinander zu setzten. Aber gerade in homogenen Gruppen ist das Erleben von Diskriminierungserfahrungen besonders wertvoll. In beiden Fällen ist Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen geboten, da möglicherweise negative Erfahrungen, die in dem Zusammenhang gemacht wurden, erneut ausgelöst werden können.

Es besteht die Möglichkeit, den Workshop in ausschließlich digitaler Form durchzuführen. Damit kann der Workshop auch überregional und zu Zeiten der Corona-Pandemie realisiert werden.

Zielsetzung

Ziel des Workshops “Diskriminierungserfahrungen in Minetest” ist es, Diskriminierung, die mitunter zu Hate Speech führen können, erlebbar zu machen. Die Teilnehmer*innen sollen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Erscheinungsbild selber die Erfahrung machen, mit ungleichen Bedingungen im Spiel zu tun zu haben. Im Anschluss sollen durch Reflektion und Diskussion die Parallelen zu unserer gegenständlichen Welt und dem Umgang miteinander gezogen werden.

Ein weiteres Ziel des Workshops ist, Hate Speech zu identifizieren und einordnen zu können.

Benötigte Medien

  • Pro Person oder pro zwei Personen ein Gerät auf dem Minetest installiert ist. Minetest läuft auf Windows PCs, Android, Mac, Linux und FreeBSD, ist kostenlos und kann hier heruntergeladen werden.
  • Internetverbindung
  • Kommunikation:
    • Findet der Workshop an einem Ort statt, sollte es möglich sein die Teilnehmer*innen so räumlich in zwei Gruppen zu trennen, dass sie nicht nicht mitbekommen, was die Andere Gruppe baut.
    • Wenn der Workshop dezentral über das Internet stattfindet wird ein Sprachchat-Tool (z.B. Discord, Teamspeak etc…) und Kopfhörer mit Mikrofonen benötigt.
  • Vorbereitete Minetest Welt auf einem PC/Server

Hinweise zum Administrieren der Minetest Welt

  • Auf einem Server oder lokalen Rechner muss die “Play Your Role” Minetest-Welt laufen. Diese kann hier heruntergeladen werden.
  • Damit der Workshop wie geplant funktionieren kann, sollten die Workshopleiter*innen sie vorher testen.
  • Auf dieser Welt sollte es zwei Rollen geben:
    • Die “Workshopleiter*innen” oder Admins haben die Möglichkeit sich überall zu bewegen und zu bauen.
    • Die “Teilnehmer*innen” können sich nur in bestimmten Bereichen bewegen bzw. bauen. Die Workshopleiter können ihren Fortschritt in der Minetestwelt mittels von “geschützten Türen” bestimmen, die nur sie öffnen können.
  • Der Spawnpoint sollt im Startraum gesetzt sein, so dass die Teilnehmer*innen dort starten. Die Tür sollte geschlossen sein.
  • Weitere Servereinstellungen:
    • Survival Modus, PvP Schaden, Explosion sollten deaktiviert sein
  • Bei Interesse kann die Minetest Welt gerne modifiziert oder in Minecraft nachgebaut werden.

Ablauf:

Phase 0: Vorbereitung

  • Die virtuellen Räume werden vorbereitet
    • Discord Server
    • Minetest Server
  • Die Teilnehmenden bekommen vorab zugeschickt:
    • Zugang zum Discord-Raum
    • Anleitung zur Installation von Minetest

Phase 1: Beginn

Länge: 30 Minuten

Überblick:

  • Begrüßung der Jugendlichen auf dem Discord Server. Dort gehen alle in einen gemeinsamen Sprachkanal, so dass sie kommunizieren können. Wir empfehlen, die Videofunktion der Teilnehmer*innen hier noch nicht einzuschalten, da der Einstieg so niedrigschwelliger ist und gewisse Unterschiede (Hautfarbe, Hintergründe) im unklaren bleiben.
  • Parallel gehen die Teilnehmer*Innen auf den Minetest Server. Dort sind sie in einem abgegrenzten Bereich, den sie erst verlassen können, wenn der Workshop beginnt.
  • Es ist wichtig, genug Zeit für technische Probleme bei den Teilnehmer*innen einzuplanen. (Im Idealfall schon im Vorfeld durchführen.)
  • Erklärung der Grundsteuerung von Minetest (Bewegung: WASD, Maus: Umsehen)
  • Gemeinsames Gehen zum “Umkleideraum”, Umziehen nach individuellen Vorlieben
  • Sitzkreis in der „Aula“: Genereller Ablauf des Workshops wird erklärt und die Teilnehmer stellen sich kurz vor.

Phase 2: Labyrinth – Bau in Minetest

Länge: 130-150 Minuten

Überblick:

  • (15 Minuten) Gleichzeitiges Durchlaufen des Labyrinths und parallel das kennenlernen bzw. vertiefen der Steuerung. Teilnehmer*innen, die das Labyrinth durchquert haben können auf das Labyrinth steigen und den anderen durch das Glasdach Unterstützung geben.
  • (15 Minuten) Auf dem Glasdach werden anschließend mittels Abfragen von Minecraft/Minetest-Erfahrungen selbst-Einteilung in “Neu”, “Grundwissen”, “Expert*in”. Bildung von zwei “ausgeglichenen” Teams “Blau” und “Rot” (Größe/Minecraft/Minetest Erfahrung).
  • Die Teilnehmenden verändern das Aussehen ihres Minetest Avatars. Dafür werden in zwei verschiedenen Räumen Rüstungsgegenstände in zwei unterschiedlichen Farben (Rot und Blau) zur Verfügung gestellt, die die Teilnehmer*innen durch “i” und “3D-Rüstung” anziehen sollen.
  • Anschließend wird folgende Aufgabe erklärt:

Beide Teams (Rot/Blau) haben je einen vorgegebenen Bereich, der vom anderen Team nicht einsehbar ist. Die Aufgabe ist innerhalb von 40 Minuten ein Labyrinth zu bauen, welches das andere Team im Anschluss an die Bau-Phase durchlaufen muss. Dabei dürfen nur die in Kisten vorgegebenen Materialien verwendet werden. Das anschließende Durchlaufen des anderen Labyrinthes erfolgt auf Zeit gegeneinander (10 Minuten).

  • Was die Workshopleiter*innen den Teams verschweigen: Team Blau bekommt dabei wesentlich mehr und bessere Materialien und Werkzeuge. Auch kann das Blaue Team ca. 10 Steine in den Boden bauen und so auch Tunnel erstellen. Das Rote Team hat diese Möglichkeit nicht. Die Voraussetzungen sind also offensichtlich ungleich und die Aufgabe bewusst unfair.
  • Eventuell werden die Teilnehmer*innen die ungleichen Ausgangsbedingungen direkt beim Durchlaufen des anderen Labyrinths bemerken und mit Frust oder Ärger reagieren. Eventuell werden einige die ungleichen Bedingungen aber nicht bemerken. Hier ist das Fingerspitzengefühl der Workshopleiter*innen gefragt, um eine gerne kontroverse aber auch fruchtbare Diskussion zu ermöglichen.
  • Für die Reflexionsrunde ist ein Bereich hinter den Labyrithgebäuden vorbereitet. Dieses Enthält eine Sitzgruppe, die Möglichkeit sich als Antwort auf Fragen zwischen 0 und 10 selbst anzuordnen und Kisten mit Schildern um Feedback aufzuschreiben.
    Je nach Stimmungslage:

    • kann sofort in einer Reflexionsrunde per Sprachchat diskutiert werden oder
    • werden die Teilnehmer*innen aufgefordert erst ihre Erfahrungen auf Schilder zu schreiben, bevor sie das Feedback mit der Gruppe teilen.
  • Vermutlich kommen die Teilnehmer*innen selber auf die “Ungerechtigkeit” bezüglich der ungleichen Startvoraussetzungen. Wenn diese nicht bemerkt werden, weisen die Workshopleiter*innen auf die Unterschiede hin.
    Die Workshopleiter*innen regen eine Übertragung der erlebten Diskiminierung / Privilegien ins “offline”-Leben (Wohnort, Bildung, Geld, Hautfarbe) an.

Optionale Ergänzungen:

  • Zusätzliche kann vorsichtig nach eigenen Erfahrungen mit Ungleichheit / Gerechtigkeit gefragt werden.
  • Quiz mit Statistiken (z.B. zu ungleichen Vermögensverteilungen, Bildungsvererbung, Geschlechtergerechtigkeit) kann durchgemacht dann diskutiert werden.

Nachdem die beiden Gruppen so ungleich behandelt wurden sollen sie gemeinsam eine Kooperations aufgabe erledigen um sie wieder miteinander zu versöhnen. Um die Gruppe wieder zu vereinen, schließt das Segment mit einer gemeinsamen Kooperations-Aufgabe (20 min) ab: z.B. Verschönerung des Spawnplatzes/der Aula/des Labyrinths. Hierfür müssten die Teilnehmer*innen aber ein Bauprivileg und einige Gegenstände ihrer Wahl bekommen. Dieses sollte ihnen anschließend wieder entzogen werden. Alternativ könnten sie auch ein gemeinsames Projekt in der freien Bau Area umsetzen.

Phase 3: “Ein Schritt nach Vorn”

Länge: 60 Minuten

Überblick:

Die Teilnehmenden soll ermöglicht werden selber Diskriminierungserfahrungen nachvollziehen zu können. Dafür wird das Konzept “Take a step forward” in Minetest adaptiert.

  • Alle gehen gemeinsam Zur “Einen Schritt Nach Vorn-Treppe”
    Hier nehmen sich die Teilnehmer*innen jeweils ungelesen eine Rollenkarte. Diese werden in Ruhe durchgelesen, wobei die eigene Rolle geheim gehalten und nicht mit den Anderen geteilt wird. Nun bitten Sie die Teilnehmenden, sich in die Rolle hineinzuversetzen. Um ihnen dabei zu helfen, lesen Sie einige der folgenden Fragen laut vor. Machen Sie nach jeder Frage eine Pause, damit alle Zeit haben, sich ein Bild von sich selbst und ihrem Leben zu machen:

– Wie war Ihre Kindheit? In was für einem Haus haben Sie gewohnt? Was für Spiele haben Sie gespielt? Was haben Ihre Eltern gearbeitet?

– Wie sieht Ihr Alltag heute aus? Wo treffen Sie sich mit Ihren Freund*innen? Was machen Sie morgens, nachmittags, abends?

– Wie sieht Ihr Lebensstil aus? Wo leben Sie? Wie viel verdienen Sie im Monat? Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Was machen Sie in den Ferien?

– Was finden Sie aufregend und wovor fürchten Sie sich?

  • Die Teilnehmer*innen werden gebeten, sich an dem dafür vorgesehenen Ort in einer Reihe am Fuße der breiten Treppe nebeneinander aufzustellen.
  • Im Anschluss werden Situationen und Fragen vorgelesen. Die Teilnehmer*innen, die diese Frage aus ihrer Rolle mit Ja beantworten würden, sollen eine Stufe nach oben erklimmen. Ansonsten bleiben sie stehen.
  • Am Ende wird noch einmal gebeten, sich im Raum um zu blicken und sich der Situation zu vergegenwärtigen.
  • Im Anschluss an das Spiel werden die Ergebnisse (15 Minuten) reflektiert und diskutiert und mögliche Handlungsspielräume des Individuums erörtert. Dafür können die Teilnehmer*Innen noch vor Ort stehenbleiben, was ihre jeweiligen “Unterschiede” betont. Oder sie gehen direkt zum nächsten Areal um dort in angenehmerer Atmosphäre das Feedback Gespräch zu führen.
  • Weitere Informationen zu “Ein Schritt nach Vorn” unter Links. Die Methode kann auch an das Alter der Teilnehmer*innen angepasst werden um es noch lebensnaher zu gestalten.

Phase 4: “Ist das Hate Speech?

Länge: 30 Minuten

Überblick:

Die Teilnehmenden betreten die “Hate Speech Höhle”, um sich mit dem Thema “Hate Speech” vertraut zu machen. Der Eingang der Höhle ist in der Nähe des Eingangs des “Versteckspiel” Bereichs unter einem Gitter im Glasboden verborgen.

In der Höhle lernen die Teilnehmer*innen die Hate-Speech Definition in verschiedenen Stationen beschrieben.

Nach durchschreiten der Höhle betreten die Teilnehmer*innen wieder die Oberfläche und gehen zur eine “Frage-Arena”, die Bodenmarkierungen mit einer Skala von 0-100 bietet.

Die Workshopleiter stellen hier Situationen und Aussagen vor, zu denen sich die Teilnehmenden zuordnen sollen, als wie stark diese als Hate Speech (bis zu 100) oder neutral bzw. unproblematisch empfinden (0).

Nach jedem Beispiel werden die (verschiedenen) Einschätzungen diskutiert und reflektiert.

Phase 5: “Feedback und Abschluss

Länge: 30 Minuten

(15 Minuten) Die Teilnehmer*innen schreiben auf nicht für alle einsehbare Schilder ihr Feedback. Dieses kann diskutiert werden. Anschließend bekommen sie gemeinsam noch einige Fragen gestellt, wie ihnen der Workshop gefallen hat oder ob sie Verbesserungsideen haben.

(10 Minuten) Zum Abschluss wird an dem “Versteck-Areal” Verstecken gespielt.

Alle Teilnehmenden bis auf eine Person (evt. Workshopleiter*in) verstecken sich und versuchen, ohne von der suchenden Person gesehen zu werden, zum Eingang des Areals zurück zu kommen.

(5 Minuten) Gruppenbild und Abschied.

Die Teilnehmerinnen könnten noch optional im “Freien Baubereich” neben dem “Versteck-Areal” gemeinsam etwas bauen. Oder die Workshopleiter könnten sie durch eine Geheimtür zurück zum Startbereich bringen und verabschieden.

Optionen und Variationen

Dieser Workshop bietet die Möglichkeit der ausschließlich digitalen dezentralen Durchführung. Wenn der Workshop an einem Ort durchgeführt wird, kann die Phase 3 – auch als Methodenwechsel – auch offline durchgeführt werden.

Der Workshop kann nach Herunterladen der Minetest Welt auf einem eigenen Minetest Server durchgeführt werden. Es kann aber leichter sein, dafür den “Der Corona Bildungs-Server” zu nutzen. Auf diesem ist der Workshop am Point of Interest “Play Your Role” zu finden. Wichtig ist hier gute Absprache mit den Administratoren des Servers oder dem Games Team des JFF – Institut für Medienpädagogik.

Bei Bedarf und mit genug Vorbereitungszeit kann die Minetest Welt in Minecraft nachgebaut und der Workshop dort durchgeführt werden.

LINKS

Kontakt

pyr [at] jff.de
+49 89 – 12 66 53 14

Förderhinweis

Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Programms der Europäischen Union für Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft (2014-2020) finanziert. Der Inhalt dieser Publikation stellt die Ansichten der Autor*innen dar und liegt in deren alleinigen Verantwortung. Die Europäische Kommission übernimmt keine Verantwortung für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

Projektpartner:

Lizenz

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